Retrotest: Super Ghouls ‘N Ghosts (SNES)
Die Zeiten, in denen Videospiele uns Ehrfurcht und Demut einprügeln sollten, sind längst vorbei: Wir werden in gewaltfrei kommunizierten Tutorials geschult, bekommen von Sidekicks unsere Ärsche hinterhergetragen, werden von Meediiiics wiederbelebt. Ein Sicherheitsnetz aus selbstaufladenden Schilden, Autosaves und unendlichen Leben macht uns die Zockerei so angenehm wie möglich. Natürlich war das mal anders. Auftritt erste Hälfte der 1990er.
Auftritt Super Ghouls ’N Ghosts.
Das zinnoberrote Grauen
Super Ghouls ’N Ghosts aka. ChoMakaiMura ist der dritte Teil der Serie und war für mich ein prägendes Spiel.
Ich saß bei meinem Kumpel Tom in seinem unfassbar coolen Kellerkinderzimmer (das, wenn ich mich heute daran zurückerinnere, ihm eher wie ein Verlies vorgekommen sein muss), in dem er seine neueste Errungenschaft präsentierte. Super Nintendo. Ich besaß damals einen Amiga 500. Nicht, dass das irgendwie ein Wettbewerb war oder so, (war es absolut,) aber diese kleine mausgraue Kiste samt der Handvoll Spiele, die er besaß (Super Mario World, R-Type (weiß aber nicht mehr welches), Pilotwings, Street Fighter 2 und Super Ghouls ’N Ghosts), hatte es mir angetan. Überflüssig zu erwähnen, dass ich fortan häufiger in Toms Kellerverlies abhing.
An einem denkwürdigen Nachmittag, nachdem wir draussen Fußball spielten und bevor wir spät Abends aufgepeitscht von Cola und Sauren Pommes durch das Dorf marodieren und Klingelstreiche machen würden, mühte ich mich mit mäßigem Erfolg durch R-Type (ich glaube, es war III). Tom sah mich mitleidig an und sagte: „Ich glaub, ich hab was, mit dem du besser klar kommst.“
R-Type raus, Super Ghouls ’N Ghosts rein. Unnötig zu erwähnen, dass mein Scheitern nur noch ungekanntere Dimensionen annahm. Trotzdem war ich irgendwie beeindruckt. Von der immensen Herausforderung, von der eindrucksvollen Gruselstimmung (Resident Evil sollte den Begriff erst fünf Jahre später neu definieren) und der gesamten Präsentation: Die Grafik, die Musik, das Klappern der Skelette und die vielen Waffen…
Dann vergaß ich das Spiel irgendwie. Wahrscheinlich, weil ich mit Sonic, Shining Force und draussen Knie aufschürfen beschäftig war. Aber so um 1995 herum erwarb ich dank Nebenjob (Prospekte austragen respektive vergraben) endlich ein eigenes Super Nintendo und damit auch Super Ghouls ’N Ghosts aka. ChoMakaiMura aka. dieses verfluchte Stück Sch***e.
Mit viel Mühe habe ich es irgendwann ins sechste oder siebte Level geschafft, wo mir dann endgültig die Puste ausging. Ich glaube, ich habe es nach nur ein oder zwei Monaten wieder verkauft, nachdem auch ich einsehen musste, dass Super Ghouls ’N Ghosts eins der schwersten Spiele seiner Zeit war.
Übrigens heißt ChoMakaiMura so viel wie „Ultimatives Dämonenweltdorf“, was einfach nur unglaublich cool klingt.
Kurz darauf erschien dann Resident Evil und mit ihm die ‘echte’ Gruselstimmung. Weswegen die Ghouls ’N Ghosts-Reihe für mich gute zwei Jahrzehnte lang vergessen blieb…
Bis vor vier Wochen.

Ein Trauma namens MaKaimura
In der klinischen Psychologie nennt man die Reaktivierung eines Traumas Intrusion, und ich glaube, das ist was passiert war, als ich eines Tages entschied: ‚Super Ghouls ’N Ghosts. Du und ich. Auf dem SNES Mini. Wo ich dich mit Save-States erst gefügig machen, dann besiegen werde.‘
Ich nahm mir drei Abende Zeit, um die alte Schmach zu tilgen.
Um nicht gänzlich unvorbereitet mit meinem kleinen Ritter in die große Schlacht zu ziehen, las ich mich durch die Anleitung und einen Teil der im Internet bereitgestellten Lore, in der Hoffnung, Gründe für die Hinterhältigkeit des Spiels zu finden.
(Kleiner Disclaimer: Alle aus der Anleitung zitierten Begriffe habe ich aus der englischen übersetzt, falls in eurer (deutschen) also etwas anderes steht — scusa, Capcom anrufen.)
Die Situation ist folgende:
Drei Jahre nach dem Sieg Sir Arthurs (so heisst unser Ritterchen) über die Geister im Vorgänger, Ghosts ’n Goblins, sind sie zurückgekehrt. Die Geister. Sind einfach wieder da. Aber nicht nur das, sie haben friedliche Dorfbewohner —was ungewöhnlich für das Böse ist— mit Lichtstrahlen durchbohrt. Als Arthur in das Dorf einkehrt, kommt er entweder zu früh oder zu spät, denn er muss mit ansehen, wie der Prinzessin Guinevere, in die er selbstverständlich verliebt ist, die Seele aus dem Körper gerissen wird. Düster.
Also zieht unser Arthur los um das Problem mit den lichtdurchbohrten Dorfbewohnern und der entseelten Prinzessin anzugehen.
(Eine Eigenart, die sich übrigens durch die gesamte Serie zieht, ist die Verwirrung, die die Reihe mit der eigenen Nomenklatur hat: So heisst die Prinzessin in der Anleitung Guinevere, während das Spiel darauf besteht, sie ‚Prinzessin Prin Prin’ zu nennen.)
Arthur findet jedenfalls: Das Übel gehört an der Quelle abgewürgt. Besagte Quelle ist natürlich der Serienwiderling Sardius (ein lose auf dem talmudischem satanischen Erzengel Samael basierender Dämonenimperator).
In Arthurs Weg stellen sich ganze Horden von Gegnern, Spontanmanifestationen diverser Naturgewalten und acht verschiedene Level mit klangvoll barocken Namen wie Der tote Ort, Tiegel der Flamme, Das verrottende Meer oder Zinnoberrotes Grauen.

Ritter in strahlenden Rüstungen
Arthur beginnt seine epische Reise auf einem Friedhof, der mit aus Gräbern emporsteigenden Zombies und aggressiven Geiern bevölkert ist.
Und sofort offenbart Super Ghouls ’N Ghosts seine zwei Hauptgemeinheiten: Momente, in denen sich mehrere Feinde auf dem Bildschirm tummeln, und Momente, in denen das Terrain sich ändert.
Das Heben und Senken des Bodens ist ein eindrucksvolles Spektakel, kann Arthur aber kalt erwischen und seinen Feinden Standortvorteile verschaffen. Es ist praktisch überlebenswichtig Arthurs Sprungverhalten genau zu kennen. Denn anders, als in anderen Actionspielen, ist die Spielfigur in der Luft nicht steuerbar: Ist Arthur einmal abgesprungen, ist der einzige Einfluss, den ihr auf seine Trajektorie habt, ein zweiter Hüpfer; der Doppelsprung. Das falsche Abschätzen des Landepunkts ist —speziell zu Anfang— eine der häufigsten Draufgehursachen.
Generell bewegt sich Arthur rittersgerecht klobig und schepprig; Das Gameplay ist gerade agil genug, um nicht unfair zu sein und ingesamt eher auf der trägen Seite. Was optisch seltsam ist: Obwohl Arthur extrem ausgeprägte (fast schon komikhafte) Rennbewegeungen vollführt, kommt er nur langsam vom Fleck. Das ist irgendwie bizarr, aber auch ein großer Teil dessen, was das Spielgefühl der Reihe ausmacht. Zwar kann Arthur in verschiedene Rüstungen schlüpfen, die als Power Ups in den Levels zu finden sind, aber keine von denen macht ihn schneller oder verleiht ihm neue Bewegungsfähigkeiten.
Die Rüstungen dienen als Power-Ups und Schilde. Ist Arthur eingerüstet, verträgt er genau zwei Feindberührungen. Die Anleitung erklärt das neckischerweise so: „Die erste kostet ihn die Rüstung, die zweite seine Haut!“ Süß.
Diese Panzerkleider wirken aber auch als Waffenupgrades. Ist Arthur z.B. mit der Lanze ausgerüstet (die er, wie jede Waffe, wirft und von denen er, wie von jeder Waffe, unendlich viele zur Verfügung hat), und schlüpft nun in die Bronze- oder Goldrüstung, wird die Lanze zur Flammenlanze. Was ungleich souveräner aussieht. Und mehr Schaden anrichtet.
Jede der Waffen (Lanze, Sense, Armbrust, Fackel, Axt, Dolch, Shuriken und eine Art Boomerang) besitzt eine solche zweite Stufe, allerdings sind nicht alle Waffen für alle Einsätze gleich geeignet. So eiert die Axt gemächlich und in hohem Bogen über die Hälfte des Bildschirms, womit man immer nah am Gegner stehen und den Angriff perfekt timen muss. Ich nehme an, dass sie dafür aber auch mehr Schaden macht, als die schnelleren, direkten Waffen.
Zurück zu den Rüstungen. Insgesamt kennt unser Ritter vier Bekleidungsstufen:
- nackt (bzw. in Unterbüchs)
- Stahlrüstung
- Bronzerüstung (die interessanterweise grün ist)
- Goldrüstung (die man nur erhält, wenn man die interessanterweise grüne Bronzerüstung trägt)
Die letzte ist natürlich die beste, weil sie so schön aussieht und vor allem den Einsatz von Magieattacken erlaubt. Ausserdem erhält man mit der Goldrüstung meistens auch den Mondschild, der drei Treffer abhält (allerdings nur, wenn man still steht?) und die Zeit zum Wiederaufladen der Magieattacken verkürzt. Ausgehend von dieser Konfiguration können wir ein letzte Verbesserung einsammeln, und zwar in Form des Sonnenschildes, welches die Magie-Abkühlzeit abermals verkürzt.
Die magischen Attacken sind von der jeweiligen Waffe abhängig und meist bildschirmräumende und größtenteils elementbasierte Entladungen wie Feuer, Wind und Blitz, oder —trägt man die Shuriken und glaubt der Anleitung— ‚Nuklearmagie‘, was nach einer völlig ungekannten Art der militärischen Bedrohung klingt.
Man kann dem Spiel bei aller Garstigkeit daher kaum vorwerfen, es geize mit Ausrüstung, auch, wenn sie für meinen Geschmack zu selten ausgeteilt wird. Zum Glück gibt es auch unendlich viele Continues, was keineswegs selbstverständlich ist. Viele Spiele dieser Zeit hatten die unangenehme Angewohnheit, Continues zu limitieren, was natürlich der Automatenkultur geschuldet war, aus der sie hervorgingen.

Der tiefe Fall führt oft zu höherm Glück
Super Ghouls ’N Ghosts liebt seine Gameplay-, Pfad- und Grafikspielereien: Der Wechsel zwischen Laufwegen im Vorder- und Hintergrund, die Höhenänderungen, eine riesige Wasserwelle, die über den Bildschirm wäscht und das Terrain verändert, kleine brennende Skelettvehikel, die durch das Beben der Umgebung losrollen und einem von hinten in den Rücken scheppern — und das ist nur der erste Level!
Im Verlauf des Spiels steigert sich der Einfallsreichtum noch: Wir erleben ein Geisterschiff (mit echten Geistern!), eine nahtlos anschließende Floß-Sektion mit beeindruckendem Wellengang-Effekt in Vorder- und Hintergrund, eine Lavahöhle, den denkwürdigen Auf-, dann Abstieg eines Doppelturms (was an den Castlevania-Turm mit seinem 3D-Effekt erinnert) und das ekelhafte, zahnbewehrte und gedärmige Innere eines Monsters (?), dem sich der Magen umdreht oder so, jedenfalls dreht sich der gesamte Bildschirm und Arthur muss per gut getimten Sprüngen Darmzotten und Darmzähnen (??) ausweichen.
An dieser Stelle konsultiere ich jetzt doch noch mal die Anleitung. Das kommt mir komisch vor. Sie hat folgendes zu sagen: „Um die gefrorenen Ländereien des bösen Imperators zu betreten, müsst ihr zuerst den abscheulichen Ghul-Magen durchqueren.“ Also tatsächlich Monsterinneres. Aber weder Anleitung noch Spiel erklären, wie wir von den Türmen aus geschmolzenem Stahl in die Eingeweide eines Ghuls gelangen. Allein eine kleine Vorwarnung in Form eins verklebten Schlosstores am Ende des Turmlevels lässt erahnen, dass, äh, ein gigantischer Ghul sich via Körperöffnung eurer Wahl über die Schlosspforte geschoben haben muss, um… ja… was? Was genau war der Plan?
Egal. Wir verbuchen das unter Neunzigerjahre-Gamedesign und lassen das zinnoberrote Grauen des Ghulmagens hinter uns. Wir betreten: Die tiefe Kälte, eine Eislandschaft mit eindrucksvollem Blizzard-Effekt und spontan aus dem Grund wachsenden Eisformationen. Die letzten drei der insgesamt acht Levels finden allesamt in der Höllenburg von Sardius statt. Als wir auf ihn treffen, ist Sardius ein violettbärtiger dicklicher Dämon mit Krönungsmantel und Zweitgesicht auf seinem Bauch. Die bisherigen Levelendbosse (die Anleitung nennt sie Faulige Wächter,) habe ich bislang noch nicht erwähnt, aber die wenigsten sind mehr als die üblichen Standardbosse der damaligen Zeit: Fliegende, trampelnde Unwesen, die Feuer spucken oder nicht, und im Gegensatz zu den Levels selbst sind sie einigermaßen gut zu bewältigen.
Das ändert sich mit Sardius.
Ohne Auswendiglernen der Angriffsmuster und jeder Menge Geduld ist hier nichts zu holen. Ist er endlich besiegt, wartet ein weiterer kleiner Abschnitt auf euch und —natürlich, wie könnte es andes sein— eine erneute Sardius-Inkarnation, diesmal in invertierten oder zumindest Fehlfarben. Ist auch der endlich gelegt, ist das Spiel geschafft.
Eine kleine Abschlusssequenz, in der Arthurs geliebte Guinevere auftaucht und ihn für seine Hartnäckigkeit belo— Halt. Was? Tut sie nicht? Tut sie nicht. Stattdessen kommt das Spiel mit einer letzten kindsköpfigen Gemeinheit um die Ecke: Zwar ist Guinevere nicht in another Castle oder sowas, aber ihre Befreiung und das tatsächliche, echte Ableben von Sardius, kann nur durch eine mysteriöse Waffe namens ‚Armband der Göttin‘ erfolgen. Und wie werden wir der habhaft? Durch nochmaliges Durchspielen des kOmPLeTteN sPieLs.
Und damit, glaubt es oder nicht, steht Arthur wieder auf dem Friedhof.
Ist das nicht hinterfotzig? Ist das nicht dreist?
Sei’s drum: Arthur nimmt das Zepter in die Hand und relativ schnell auch die mysteriöse neue Waffe (die zwar ordentlich knallt, aber, danke Capcom, nur sehr kurze Reichweite hat), reist wieder auf dem Floß, wühlt sich durch den zinnoberroten Ghulbauch und knüppelt die zwei Sardius-Varianten nieder. Mittlerweile ist man die Niederträchtigkeiten des Spiels gewöhnt und wundert sich nicht, dass Sardius neben den zwei üblichen noch eine neue, dritte Form besitzt, die natürlich noch schwieriger und anstrengender ist.
Hier ist die gute Nachricht: Ist diese letzte Form besiegt, ist das Spiel vorbei. Wirklich.
Die blauhaarige Prinzessin entschwebt einem unsichtbaren Fenster und Arthur kassiert eine Reihe wohlverdienter Bützchen.
Irgendwann rollen dann die Credits (in denen solch illust benannte Capcom-Mitarbeiter wie ‚Hyper Mickey‘, ‚Tall Nob‘, ‚Ryutaro’s Mama‘ und ein gewisser ‚M30‘ auftauchen) und wir können einen Haken hinter diesen kleinen Bastard von einem Videospiel machen.

Der tote Ort
Abschließend muss ich noch auf eine allerletzte Gräuslichkeit eingehen: Den Timer.
Als hätte das Spiel noch mehr Bosheiten nötig gehabt, läuft in jedem Level ein Zeitlimit ab, was mit der vom Spieler geforderten Geduld zwecks Beobachtung von Feindbewegungen und Ausknobeln von Fluchtkorridoren geradezu kollidiert. Läuft der Timer ab, ist Arthur tot. Zwar hat mir das eher selten Frust bereitet (aber wenn, dann richtig), doch speziell bei den letzten Bossfights spürt man das gnadenlose Ticken wie üblen Dämonenhauch im Nacken.
Bleibt noch die Frage: Wie gut ist Super Ghouls ’N Ghosts aka. ChoMakaiMura aka. das verfluchte Stück usw. gealtert? Lässt es sich nach heutigen Standards noch empfehlen?
Ich würde sagen ja. Es allein wegen der knüppelharten Schwierigkeit durchfallen zu lassen, täte dem Spiel mit seinem einfallsreichen Leveldesign, der stimmungsvollen Musik und liebevollen Aufmachung unrecht.
Unbedingte Voraussetzung ist allerdings entweder ein Run auf einem Emulator unter Zuhilfnahme individueller Speicherpunkte, oder die heilige Kombination aus Engelsgeduld und immensen Zeitreserven. Andernfalls droht Intrusion.
Gespielt auf dem SNES Mini, Schwierigkeit Normal.
Weiteres:
Interessante Abhandlung über Sardius Namen
Kompetentes und angenehmes Let’s Play auf Deutsch